Anhand des folgenden Beispiels möchten wir Ihnen zeigen, wie ein Mitglied unserer Feuerwehr einen Einsatz (in diesem Fall einen Verkehrsunfall) erleben kann. Nehmen Sie sich Zeit zum lesen und stellen Sie sich die Situation vor...
Das laute und schrille Piepen meines Melders lässt mich aus dem Schlaf aufschrecken. Mein schneller Blick zum Wecker sagt mir, dass es erst 5:35 Uhr ist. Ich schnelle hoch und ziehe mir noch beim "Aufwachen" die nächste Jeans und ein T-Shirt über. Das Piepen des Melders, welches immer noch anhält, sagt mir, dass es wohl ein größerer Einsatz sein muss. Die Sirenen, die in diesem Moment anfangen zu heulen, scheinen meinen Verdacht zu bestätigen. Während ich in Richtung Haustür laufe, quäkt die Stimme aus dem Melder: "Hier Leitstelle Oldenburg, Einsatz für die Ortsfeuerwehren Rodenkirchen und Schwei, Verkehrunfall B212, eine eingeklemmte Person". Ich hatte leider recht.
Von meiner Wohnung bis zum Gerätehaus ist es nur eine kurze Strecke zu Fuß. Trotzdem nehme ich die Beine in die Hand und sprinte los. Dass es an diesem Morgen nur wenige Grad hat und ich nur ein T-Shirt anhabe, nehme ich in diesem Moment gar nicht wahr. Es zählt nur eines, schnell sein. Ich bin Erster und schließe die Tür auf, während ich hinter mir schon die ersten Autos bremsen und Fahrzeugtüren zuschlagen höre. Auf dem Weg zu meinem Haken mache ich schnell das Licht an und drücke auf den großen Buzzer direkt neben der Tür, der die Fahrzeughallentore öffnet. Die erste Alarmierung ist in diesem Augenblick knapp eine Minute her.
Ich schlüpfe in meine Stiefel und ziehe die darüber gestülpte Hose nach oben, werfe mir meine Jacke über und nehme meinen Helm vom Haken. Auf dem Weg zum Hilfeleistungslöschfahrzeug höre ich im Hintergrund einen anderen Kameraden vom ELW aus mit der Leitstelle funken: "Leitstelle Oldenburg für den Florian Wesermarsch 12-11-2 kommen!" funkt er, um sich nach dem Einsatzort zu erkundingen. "Hier Leitstelle Oldenburg. Es geht auf die B212 zwischen Sürwürden und Alse. Dort Frontalcrash zwischen 2 PKW, ein Fahrer ist eingeklemmt. Dazu kommt die Feuerwehr Schwei!". "Der 12-11-2 hat verstanden, Ausfahrt!". Immer mehr Kameraden kommen in die Wache gerannt, während der Einsatzleitwagen mit Blaulicht und Martinhorn zum Einsatzort ausrückt.
Immer noch nicht ganz wach steige ich in den Mannschaftsraum des Hilfeleistungslöschfahrzeuges, auf welchem in diesem Moment erst der Fahrer (Maschinist) und der Staffelführer sitzen. Ich warte, wer wohl als nächstes einsteigt. "Hoffentlich jemand mit Erfahrung." denke ich nur und habe Glück. Auf den Platz gegenüber von mir setzt sich ein Kamerad, der schon deutlich länger dabei ist als ich und dementsprechend mehr Erfahrung und Ruhe hat. "Voll!" rufen wir, als die verbliebenen 2 Plätze im Fahrzeug besetzt werden und in der nächsten Sekunde rollt das Fahrzeug aus der Halle. Ich zucke etwas zusammen, als der Maschinist das Martinhorn betätigt, denn es ist auch im Fahrzeug noch höllisch laut.
Auf der Fahrt ziehen wir uns zum Schutz Latexhandschuhe an. Gerade bei Verkehrsunfällen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir mit Blut von anderen Menschen in Verbindung kommen. Die Einsatzfahrt scheint ewig zu dauern. Als wir von der Abfahrt der Bundestraße herunterfahren, sind bereits viele Rücklichter und Warnblinker zu erkennen. Obwohl um diese Uhrzeit noch nicht viel Verkehr ist, hat sich bereits ein Rückstau gebildet, an dem wir nun vorbeifahren. Vorbei an neugierigen Blicken und Autofahrern, die versuchen zu erkennen was da vor ihnen passiert ist.
Als wir näher an die Einsatzstelle kommen ruft der Maschinist nach hinten: "Der RTW ist schon da!" Er meint damit den Rettungswagen, der bereits an der Unfallstelle steht. Der Staffelführer dreht sich zu uns um und gibt die ersten Anweisungen. "Trupp 1 nimmt sofort Schere und Spreizer vor, Trupp 2 baut den Ablageplatz auf!" Ich gehe im Kopf durch wo die Geräte liegen, die ich gleich benötige. Als Trupp 2 ist es unsere Aufgabe, alle benötigten Geräte bereitzulegen und den 1. Trupp zu unterstützen.
Das Fahrzeug kommt zu stehen und wir steigen aus. Die Szenarie scheint unwirklich. Man hört nur unseren Fahrzeugmotor und in der Entfernung weitere Martinhörner von anrückenden Einsatzfahrzeugen, sonst ist es komplett still. "Unterbauen" schießt es mir in den Kopf. Als erstes muss das Fahrzeug stabilisiert werden. Ich gehe zum Geräteraum, hole mir die dafür benötigte Ausrüstung und bringe sie zum Ablageplatz. Danach folgt weiteres Material zum Absichern und hydraulisches Rettungsgerät um den Patienten aus seiner Lage zu befreien. Ebenfalls legen wir eine Schlauchleitung, um im Notfall ein aufkommendes Feuer am PKW schnell bekämpfen zu können.
Erst jetzt habe ich Zeit, mir den verunfallten PKW genauer anzuschauen. Im Fahrzeug sitzt bereits jemand vom Rettungsdienst und betreut den Patienten. Der Notarzt, welcher inzwischen eingetroffen ist, reicht von außen die benötigten Medikamente an. So wie der Wagen aussieht, muss das ein heftiger Aufprall gewesen sein. Die ganze Front ist bis zur A-Säule zusammengestaucht und die Airbags haben ausgelöst. Der 2. PKW sieht dagegen besser aus. Die Insassen konnten den Wagen selbstständig verlassen und werden in einem weiteren Rettungswagen versorgt.
Es dauert ca. 40 Minuten, bis wir den schwer verletzten Fahrer aus dem Fahrzeug geschnitten haben. Der in der Zwischenzeit angeforderte Rettungshubschrauber landet auf der Bundestraße und fliegt den Patienten ins nächste Klinikum. Wie es ihm geht oder was mit ihm passiert werden wir nie erfahren.
Jetzt heißt es aufräumen, denn die Straße sollte schnellstens wieder frei sein. Wir unterstützen den Abschleppdienst noch beim Verladen der Unfallwracks und helfen beim groben Reinigen der Fahrbahn. Dann rücken auch wir ab.
An der Wache angekommen müssen alle Aggregate getankt, verbrauchte Ausrüstung aufgefüllt und gereinigt werden. Anschließend setzten wir uns zusammen und besprechen den Einsatz. Was ist gut gelaufen, was nicht? Was muss verbessert werden und was sollten wir so beibehalten? Durch Einsätze sammelt man Erfahrung und daher ist es wichtig, seine Ideen und Verbesserungsvorschläge direkt einzubringen. Nach einer Cola geht es nach Hause unter die Dusche. Ich bin total verschwitzt und kaputt. Ich rufe auf der Arbeit an und sage, dass ich später komme, da ich einen Einsatz hatte. Es ist inzwischen schon kurz nach 9:00 Uhr. Meine Kollegen verstehen das und auch mein Chef steht hinter mir. Das ist wichtig, denn nicht jeder Arbeitgeber findet es gut, wenn seine Angestellten sich in dieser Form ehrenamtlich engagieren.
Nachdem ich kurz Zuhause war, fahre ich zur Arbeit. Die Kollegen wollen noch kurz wissen was passiert ist, was ich ihnen in wenigen Sätzen erkläre.
Mein Alltag geht weiter...